Bayerns Personalpuzzle: Die Sommer-Kaderplanung im Check

Beim FC Bayern München müssen im Sommer viele knifflige, unbequeme Entscheidungen getroffen werden. Über allem schwebt der Wirtz-Transfer, der viel Prestige bringen kann, aber auch Ressourcen bindet.
Der eine kommt sicher, der andere vielleicht nach München: Tom Bischof und Florian Wirtz
Der eine kommt sicher, der andere vielleicht nach München: Tom Bischof und Florian Wirtz / Ralf Ibing - firo sportphoto/GettyImages
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Es ist nicht bekannt ob Uli Hoeneß die Geschichten rund um Dagobert und Donald Duck als Jugendlicher gelesen hat, den Geldspeicher der Comic-Figur aus Entenhausen wird er jedoch kennen. Ein Gebäude, in dem ein immenses Barvermögen gehortet wird und wo Dagobert akribisch und penibel genau seine Taler zählt.

So oder so ähnlich hat man sich vor einigen Jahren auch Uli Hoeneß und das bayerische Festgeldkonto vorgestellt: Über die Jahre imposant gewachsen und bis oben hin gefüllt. Doch dieses Bild entspricht offenbar nicht mehr so ganz der Realität: der FC Bayern muss sparen. Zu kostspielig waren die Vertragsverlängerungen der vergangenen Jahre, zu schwer wiegen die Transferverluste bei Lucas Hernandez (-35 Millionen Euro), Corentin Tolisso (-41,5 Millionen Euro), Matthijs de Ligt (-22 Millionen Euro Euro) und die teuren Trainer-Ablösen und Abfindungen (Nagelsmann, Tuchel).

Der Widerspruch beim FC Bayern

Doch bei all den finanziellen Sorgen muss der FC Bayern erfolgreich sein. Max Eberl und Christoph Freund haben den Auftrag, eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen, die Titel gewinnen kann. Aber kosten darf das ganze bitte nicht zu viel! Ein Widerspruch? Vielleicht. Macht diese Ansage die Arbeit von Eberl und Freund schwieriger? Mit Sicherheit.

Der FC Bayern sucht, so hat es Max Eberl neulich im 'Doppelpass' bei Sport1 erklärt, nach Spielern wie Michael Olise. Sprich: Entwicklungsfähige, junge Spieler, die hungrig auf Titel sind und bestenfalls nach ihrer Zeit in München noch einen Wiederverkaufswert haben. Olise habe zwar viel Geld gekostet, "aber wenn man das im internationalen Vergleich sieht, dann war es eben nicht viel Geld. Er tut der Bundesliga gut und hat diese Summe auch gerechtfertigt", so der Ex-Profi.

Beim FC Bayern träumt man immer wieder von einer Verpflichtung von Florian Wirtz. Ein Spieler, der eine Ablöse von rund 150 Millionen Euro kosten soll. Ein Transfer, der prestigeträchtig wäre, aber viele Ressourcen bindet. Dabei hat der Kader des FC Bayern eigentlich genug andere Baustellen. Und gerade in der Offensive - dort, wo Wirtz zuhause ist -, hätte man diese Personalsorgen eigentlich nicht.

Die Torhüter-Position: Kein Neuer Keeper für den FCB

Im Tor des FC Bayern steht Manuel Neuer und wird das auch noch so lange tun, bis er seine Karriere beendet. Mit Jonas Urbig und Daniel Peretz als Vertreter ist man hier gut aufgestellt. Der Vertrag von Sven Ulreich läuft im Sommer aus, eine Verlängerung ist hier jedoch wahrscheinlich, insbesondere dann, wenn Daniel Peretz eine Leihe anstrebt.

Prognose: Hier hat der FC Bayern kein To-Do.

Die Abwehr des FC Bayern: Reicht es für internationale Ansprüche?

Anders sieht es in der Defensive des Rekordmeisters aus. Hiroki Ito fällt erneut aus, Sacha Boey konnte seine FCB-Tauglichkeit bis dato nur bedingt unter Beweis stellen. Und Min-jae Kim hat trotz seiner Erfahrung den ein oder anderen Wackler in seinem Spiel drin. Der Vertrag mit Routinier und Kane-Freund Eric Dier läuft im Sommer aus, eine Verlängerung scheint möglich.

Der FC Bayern hat in den letzten Jahren viel, nein, sehr viel Geld in die Abwehr gesteckt und hat nichtsdestotrotz noch keine Viererkette beisammen, die hohen internationalen Ansprüchen genügt. Besonders auf der Rechtsverteidiger-Position drückt der Schuh, da Konrad Laimer und auch Josip Stanisic neben Boey bisher nicht restlos überzeugen konnten. Stanisic musste sich nach seiner Verletzung erst wieder in den Kader zurückkämpfen und Laimer ist eher in der Mittelfeldzentale zuhause. Mit Malick Thiaw und Yann Aurel Bisseck gab es zuletzt Gerüchte um potentielle Neuzugänge in der Innenverteidigung. Das lässt den Verdacht nahe, dass man in München die Zentrale als größere Baustelle erachtet und links auf die Genesung von Davies und Ito hofft, während man rechts mit Laimer und Stanisic plant.

Prognose: Der FC Bayern verpflichtet einen Innenverteidiger

Das Mittelfeld des Rekordmeisters: Alle Augen auf Bischof

Im zentralen Mittelfeld ist man mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka, João Palhinha und Aleks Pavlovic gut aufgestellt. Auch Konrad Laimer kann die Position auf der Sechs oder Acht besetzen. Einzig die Personalie Palhinha bereitet Kopfschmerzen, der Portugiese ist in München auch in der aktuellen Verletztenmisere nur Rotationsspieler. Gegen Inter Mailand kam der 29-Jährige gar nicht zum Einsatz.

Mit Tom Bischof hat der FCB ein hoffnungsvolles deutsches Talent bereits unter Vertrag genommen. Der ablösefreie Neuzugang aus Hoffenheim kann im Mittelfeld sowohl auf der Sechser-, Achter- als auch Zehnerposition spielen und deutet in Sinsheim an, dass er eine Sofortverstärkung darstellen kann. Ein weiterer Transfer in diesem Kaderbereich erscheint daher selbst dann nicht realistisch, wenn Goretzka oder Palhinha im Sommer das Weite suchen.

Prognose: Bischof spielt beim FCB gleich eine wichtige Rolle, dafür weicht ein Routinier

Die Offensive des FCB: Wirtz ein Rekord-Sommer?

Im Sturm Harry Kane, dahinter Jamal Musiala, auf den Flügeln Coman, Sane, Gnabry, Olise. Auf dem Papier ist der FC Bayern hier top aufgestellt - auch ohne Thomas Müller. Der Abgang des Routiniers schmerzt die Fanseele und die Kommunikation rund um den Abgang des Rekordspielers ist kritisch zu hinterfragen. Jedoch, so hart es klingt, irgendwann musste dieses Ende kommen und Eberl und Freund waren hier zur ersten unbequemen Entscheidung gezwungen.

Mit Leroy Sane hat ein weiterer Offensivspieler mit hochdotiertem Vertrag ein auslaufendes Arbeitspapier. Die Gespräche über eine Fortsetzung haben offenbar begonnen, was aufgrund der Leistung Sanes folgerichtig ist. Klar scheint dann aber: Für Gnabry und/oder Coman ist in München kein Platz mehr. Der FCB beschäftigt sich offenbar sehr intensiv mit Luis Henrique von Olympique Marseille, der beide Außenbahnen bespielen kann.

Und dann ist da ja noch die Thematik Wirtz. Sollte der FCB wirklich all-in gehen und zukünftig Musiala und Wirtz als Halbraum-Zehner aufbieten, muss personell und finanziell Platz geschaffen werden. Gerade für Coman scheint es den ein oder anderen Interessenten zu geben. Ein Abgang des Franzosen ist denkbar.

Bliebe zum Schluss noch die Frage nach dem Kane-Backup: Wer ersetzt den Engländer, sollte er mal verletzt ausfallen? Müller ist weg, Tel ist verliehen. Eine nominelle Spitze hat man nicht mehr im Kader. Sicher, Gnabry kann diese Position bekleiden, aber dessen Zukunft scheint in München genauso unsicher zu sein.

Prognose: In der Offensive steht und fällt alles mit der Personalie Wirtz

Wie geht's weiter mit der Loan Army?

Die Frage wird sein: Welche Neuzugänge erachtet man am wichtigsten? Gelingt der Wirtz-Transfer und wenn ja, zu welchen Konditionen? Nur dann ist klar, ob der FCB alle Baustellen im Sommer schließen kann. Angesprochen auf einen Kane-Backup sagte Eberl: "Natürlich denken wir darüber nach. Ein Ersatz für Harry Kane ist kein einfaches Thema. Unser Kader ist etwas groß." Heißt im Umkehrschluss: Erst muss jemand gehen, bevor jemand anderes kommen kann.

Dazu zählen sicherlich auch die insgesamt neun (!) Leihspieler, die im Sommer theoretisch wieder an der Säbener Straße stehen. Findet man einen Platz für Ibrahimovic, Wanner, Aznou und Co. oder werden die Talente gleich wieder verkauft oder verliehen?

Wie sagte Eberl so schön zum Abschluss im 'Doppelass': "Wir haben im Sommer viel zu tun." Und das alles, ganz ohne vollen Geldspeicher...


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