Analyse: So konnten die Bayern-Frauen das Meister-Ruder herumreißen
Von Helene Altgelt

Ein spannender Schlussspurt mit Showdown am letzten Spieltag: Drei oder sogar vier Teams mit Chancen auf die Meisterschaft, die Nerven bis zum Abpfiff gespannt, am Ende entscheiden Nuancen über die neuen Meisterinnen. Dieses Szenario schien über lange Strecken dieser Saison der Frauen-Bundesliga realistisch: Frankfurt, Wolfsburg und Bayern waren in der Tabelle nur einige Haaresbreiten voneinander entfernt, Leverkusen folgte mit kleinem Abstand.
Jetzt aber kann mit einiger Sicherheit gesagt werden, dass es schon wieder nicht zu einem Krimi zum Saisonabschluss kommen wird. Schon in den letzten Jahren standen die Meisterinnen meist vor dem letzten Spiel fest - eine Entscheidung ganz zum Schluss wäre eine willkommene Abwechselung gewesen.
Stattdessen stehen nach dem 3:0 gegen Eintracht Frankfurt die Spielerinnen des FC Bayern München als De-Facto-Meisterinnen fest - und das auch verdient. Bei drei ausstehenden Spieltagen haben sie acht Punkte Vorsprung auf den VfL Wolfsburg - da müssten schon höhere Mächte im Spiel sein, um den Münchnerinnen ihre Jubelzeremonie noch zu nehmen.
In München können sie sich über die dritte Schale in Folge freuen. Back-to-back-to-back-Meisterschaften, wie man es in England sagen würde - ein klares Indiz dafür, dass Bayern ihren Ligakonkurrentinnen recht weit enteilt ist. Aber nicht immer sah es so klar aus - nach einer sportlichen Krise im Spätherbst schien der FCB nicht erster Anwärter auf die Schale. Nach einem 2:2 in Freiburg am neunten Spieltag war die Stimmung wohl an einem Tiefpunkt, Bayern fand sich plötzlich auf dem dritten Platz wieder. Drei Gründe, warum sie das Blatt wenden konnten.
Breiter Kader: Qualität setzt sich durch
Bayern hat es geschafft, trotz einiger Ausfälle letztendlich souverän die Meisterschaft zu gewinnen. Dafür gebührt ihnen Respekt, und dieses Kompliment gilt besonders der Kaderplanung. Nach der Winterpause wirkte es zunächst so, als würden die wahren "dog days" Bayern noch bevorstehen: Mit Sarah Zadrazil und Georgia Stanway verletzten sich gleich zwei Leistungsträgerinnen im Mittelfeld, Letztere sogar bis Saisonende.
Aber Bayern konnte die Ausfälle mit Leichtigkeit kompensieren. Die Verpflichtung der Italienerin Arianna Caruso spielte dabei nicht einmal die große Rolle. Stattdessen hatten zwei Talente ihren großen Moment.
Momoko Tanikawa zeigte von dem Moment an, als sie sich das erste Mal dem deutschen Fußball präsentierte, dass beim Stern des Südens ein neuer Star angekommen ist. Die Japanerin glänzte bei ihrem Pokal-Debüt gegen Frankfurt prompt, und zauberte auch in der Bundesliga. Und die 18-jährige Alara löste schneller, als alle Bayern-Fans hätten träumen können, ihr Versprechen vom großen Fußballpotenzial ein.
Das ist einfach eine Qualität in der Breite, die kein anderes Team in der Liga aufweisen kann - auch Ergänzungsspielerinnen wie Julia Zigiotti machten es durch die Bank solide. Wolfsburg und Frankfurt scheiterten auch daran, dass sie Ausfälle nicht genauso gut kompensieren konnten - Wolfsburg den von Hendrich, Frankfurt den von Barbara Dunst (die im Sommer das luxoriöse Mittelfeld von Bayern verstärkt) und Sara Doorsoun.
In der Offensive auf die gleiche Wellenlänge gekommen
Neben der besseren Kaderbreite profitierte Bayern von einem zweiten Faktor: Die Offensive spielte sich im Laufe der Saison deutlich besser ein, während das bei Frankfurt und Wolfsburg nicht der Fall war. Die Frankfurterinnen waren in puncto Abstimmung schon vor der Saison auf sehr hohem Level, und zeigten das von Anfang an - in dem Aspekt gab es wenig Raum zur Weiterentwicklung. Bei Wolfsburg gab es dagegen keine wirkliche Veränderung über die Saison, das Offensivspiel blieb teils statisch.
Bei Bayern dagegen war zu sehen, dass die Abteilung Tore sich besser aufeinander einstellte. Kein Zufall, sondern harte Arbeit, wie Pernille Harder 90min gegenüber sagte: "Seit ich zu Bayern gekommen bin, habe ich an meiner Positionierung und meinen Läufen in die Box gearbeitet", so die Dänin: "Es wird besser und besser, ich kann dem Team nun viel mehr helfen."
In der letzten Saison war die 32-Jährige ihren Kolleginnen teils gedanklich einen Schritt voraus, nun spielen die FCB-Spielerinnen auf einer Wellenlänge. Besonders das Zusammenspiel mit Klara Bühl hat sich weiterentwickelt. Bühl zog als linke Flügelspielerin zu Beginn noch gerne in die Räume, die auch Harder besetzen will. Im Laufe der Saison wurden solche Missverständnisse weniger.
Defensive stabilisiert: Ballverluste im Mittelfeld minimiert
Noch wichtiger als die Offensive - auch wenn diese immer den größten Part der Aufmerksamkeits-Torte erhält - war aber die Leistungssteigerung in der Defensive. Tatsächlich haben sich die Zahlen dort deutlich stärker verändert. Nach dem 9. Spieltag hatte Bayern ein Torverhältnis von 24:10. Zehn Spiele später steht ein 49:12 zu Buche. Das bedeutet: Bei den Toren ist Bayern etwa konstant geblieben, schoss sogar in der besten Phase der Saison leicht weniger Tore pro Spiel. Aber in der Verteidigung tat sich enorm viel: Nur zwei Gegentore kassierten die Münchnerinnen in zehn Spielen.
Auch die Expected-Goals-Werte erzählen eine ähnliche Geschichte - auch wenn die zehn Gegentore in neun Spielen teils etwas unglücklich für Bayern waren, die Gegnerinnen trafen viele Sonntagsschüsse. Aber Trainer Alexander Straus ist es gelungen, die Balance zwischen Defensive und Offensive besser auszutarieren. Bayern hat sich beim Pressing teils etwas zurückgenommen, was leicht weniger Druck vorne zur Folge hatte, aber auch eine Stabilisierung der Defensive. Ein guter Tausch für den FCB.
Straus hat selbst oft darauf hingewiesen, dass viele Gegentore keineswegs nur auf die Viererkette zurückzuführen sind. Die Fehlerkette begann stattdessen im Mittelfeld. In der ersten Hälfte der Saison vertändelte Bayern dort oft auf verblüffend naive Art und Weise die Bälle. Den Verteidigerinnen blieb nichts übrig, als so gut auszuputzen, wie es eben ging.
Ab der Winterpause arbeitete Bayern klar an den Abständen im Mittelfeld. Zuvor war oft ein Problem, dass die Münchnerinnen über außen blockiert wurden, und so zu riskanten Pässen zu den Mittelfeldspielerinnen gezwungen wurden, die wenig Zeit zur Weiterverarbeitung hatten. Durch bessere Orientierung an den Mitspielerinnen wurde das Problem deutlich verringert - auch wenn die Champions-League-Spiele gegen Lyon zeigten, dass der richtige Gegner Bayern immer noch stressen kann.
Insgesamt gelang es den Münchnerinnen also, trotz einer schwachen Performance zu Beginn/Mitte der Saison noch den Meistertitel zu holen. Daraus folgt eine ernüchternde Erkenntnis für die Konkurrenz: Selbst mit Verletzungen und zwischenzeitlichem Formtief war es am Ende eine klare Angelegenheit für Bayern. Solange der Kader so viel stärker besetzt ist als der der Rivalinnen, wird sich daran so schnell nichts ändern.
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