Almuth Schult: Sie durchbrach Mauern - Würdigung einer großen Karriere
Von Helene Altgelt

Ein wenig fühlten sich die letzten Jahre von Almuth Schults fußballerischer Laufbahn an wie ein Karriereende auf Raten. Schult hatte Kurzstationen bei Angel City, dem Hamburger SV und zuletzt Kansas City Current, wechselte hin und her zwischen den USA und Deutschland. In den letzten Monaten trumpfte sie in Kansas nochmal auf, avancierte zur Stammspielerin und zeigte teils tolle Paraden. Jetzt ist das Karriereende einer der ganz Großen im deutschen Frauenfußball offiziell.
Über Schults fußballerische Verdienste muss nicht lange diskutiert werden. Während ihrer neun Jahre beim VfL Wolfsburg war sie, gemeinsam mit Alexandra Popp, ein Gesicht der Erfolgs-Ära der Wölfinnen. Champions League, deutsche Meisterschaft, und immer wieder der DFB-Pokal. Sie räumte ab, was abzuräumen war.
Und im Nationalteam gelang ihr das Kunststück, das große Erbe von Nadine Angerer souverän, mit Ruhe und Selbstbewusstsein, anzutreten. Das Olympiagold 2016 mit den DFB-Frauen war ein besonderes Highlight in einer Karriere, die an Highlights nicht arm war.
Schult wirkte im Tor oft noch größer als ihre 1,80 Meter, sie ging gerne mal ins Risiko und strahlte Selbstbewusstsein und Unbezwingbarkeit aus. Genau die Mischung, die die goldenen Jahre des VfL Wolfsburg ausmachte.
Aber auch neben ihren sportlichen Verdiensten wird Almuth Schult in Erinnerung bleiben, sie hat eine weit größere Wirkung erzielt als "nur" unzählige abgewehrte Schüsse. Gleich auf zwei Arten wurde Schult zu einer Pionierin - man kann nur hoffen, dass auch in Zukunft viele Spielerinnen dieser Sorte nachfolgen. Fußballerisch stellte sie im Tor eine Mauer da, aber daneben durchbrach sie viele Mauern, sichtbarer oder unsichtbarer Art.
Schult ebnete den Weg für Schwangerschaften im Frauenfußball
Ihre wichtigste Errungenschaft ist die Normalisierung von Schwangerschaften im Profifußball. Als Schult 2019 ihre Schwangerschaft bekanntgab, galt das noch als fast revolutionär. Familienplanung und Fußball auf höchstem Niveau? Unvereinbar, so der Tenor - eins der Opfer, die das Leben als Leistungssportlerin mit sich bringt.
Schult zeigte, dass eine Rückkehr in den Profifußball nach einer Geburt durchaus möglich ist. Inzwischen haben es zahlreiche Topspielerinnen ihr nachgemacht - Sara Björk Gunnarsdottir etwa, ihre ehemalige Teamkollegin bei Wolfsburg, oder die frühere deutsche Nationalspielerin Melanie Leupolz.
Vor Schult gab es schon Vorreiterinnen wie Alex Morgan, aber sie trug dennoch zu einer weiteren Normalisierung bei. Neulich gab Weltklassestürmerin Sophia Wilson ihre Schwangerschaft bekannt - auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, mit 24 Jahren. Nicht allzu lange her wäre das noch fast undenkbar gewesen.
Schult arbeitete an neuen Regularien mit
Schult war nicht nur ein Vorbild, sondern änderte aktiv die Bedingungen für schwangere Fußballerinnen - sie entwickelte gemeinsam mit der Gewerkschaft FIFPro Empfehlungen, die von der FIFA dann tatsächlich zum Teil umgesetzt wurden. Es gab viele offene Fragen: Wie genau sieht der Mutterschutz aus, was passiert bei einem auslaufenden Vertrag?
Auch Melanie Leupolz berichtete, sie hätte sich zunächst einmal im Internet erkundigen müssen, was denn nun ihre Rechte seien. Und so ganz akzeptiert ist das Thema immer noch nicht: "Ich glaube, dass es viele Vereine noch ziemlich persönlich nehmen, wenn eine Spielerin sich für ein Kind entscheidet und mit dem Fußball für ein paar Monate pausiert", so Leupolz.
Auch der Fall von Sara Björk Gunnarsdottir, der nach ihrer Geburt von Olympique Lyon Teile des Gehalts verweigert wurden, zeigt: Der Weg ist noch lang - aber Schult hat mitgeholfen, ihn zu verkürzen.
Schult: Ein mutiges Sprachrohr für den Frauenfußball
Aber Schult, und das ist ihre zweite wichtige Errungenschaft, war nicht nur in puncto Schwangerschaften ein Sprachrohr für den Frauenfußball. Sie verhandelte mit dem DFB, machte stets den Mund gegen mangelhafte Infrastruktur auf, und scheute sich nicht, auch Missstände vor der eigenen Haustür anzuprangern.
Schult ging mit Verbänden und Vereinen ins Gericht, und sie hatte auch mal eine unpopuläre Meinung dabei. Auch als TV-Expertin zeigte sie, neben klaren Analysen, immer wieder diese Meinungsstärke.
Heute gibt es weiter Spielerinnen, die sich für bessere Bedingungen einsetzen, aber ihrer Kritik fehlt oft die Schärfe, die es teils auch braucht. Schult hatte keine Angst, anzuecken - man wünscht sich auch heute manchmal, die Fußballerinnen würden mehr Schult wagen.
Nach dem Karriereende: Schult will eine neue Rolle ausprobieren
Für die 34-Jährige steht nun der wohlverdiente Ruhestand mit ihrem Mann und drei Kindern an - das vierte ist bereits auf dem Weg. So ganz will sie sich aber nicht aus dem Fußball verabschieden, sagte Schult dem NDR: Beim Männerteam ihres Heimatvereins mit dem schmuckvollen Namen FC Samtgemeinde Gartow, in der Kreisliga, kann sie sich noch weitere Einsätze vorstellen.
Auch in ungewohnter Rolle: "Ich sehe mich da als Feldspielerin und könnte zum Beispiel aus der Abwehr heraus meinem Bruder, der Stürmer ist, ein paar Bälle in den Lauf spielen."
Alles Gute, Almuth Schult!
feed