5 Gründe für den DFB-Aufschwung im Jahr 2024

Vor dem letzten Länderspiel des Jahres kann die DFB-Elf eine hervorragende Jahresbilanz aufweisen. Eine Entwicklung, die vor zwölf Monaten kaum jemand für möglich gehalten hat. Wie hat die Mannschaft den Turnaround geschafft?
Das DFB-Team kann auf ein erfolgreiches Jahr 2024 zurückblicken
Das DFB-Team kann auf ein erfolgreiches Jahr 2024 zurückblicken / Simon Hofmann/GettyImages
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Anfang des Jahres herrschte in Deutschland wenig Vorfreude auf die Heim-EM im Sommer. Das vorangegangene Länderspieljahr war für das DFB-Team mit zwei blamablen Niederlagen zu Hause gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) zu Ende gegangen. Es waren die Niederlagen fünf und sechs in insgesamt elf Spielen im Jahr 2023. Von Aufbruchstimmung nach dem Trainerwechsel im September war nichts mehr zu spüren. "Der Wechsel zu Bundestrainer Julian Nagelsmann ist völlig verpufft", schrieb die Bild nach der Pleite in Wien.

Wie erfolgreich das Jahr 2024 für die DFB-Elf werden würde, ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand. Vor dem letzten Länderspiel des EM-Jahres liest sich die deutsche Jahresbilanz hervorragend: Zehn Siege und drei Unentschieden stehen zu Buche, hinzu kommt nur eine Niederlage - beim unglücklichen 1:2 im EM-Viertelfinale gegen Spanien.

Dass der Turnaround gelang, liegt vor allem daran, dass der Trainerwechsel zu Nagelsmann in diesem Jahr seine Früchte trug und nicht wie befürchtet völlig verpuffte. Wir schauen auf fünf Gründe für das erfolgreiche DFB-Jahr.

1. Die Mannschaft hat die Seriösität zurückgewonnen

"Mir geht es vor allem darum, diese Gier zu fühlen, dass man gewinnen möchte. Oder auf der anderen Seite, dass man es hasst, zu verlieren", hatte der Bundestrainer nach dem jüngsten Sieg gegen Bosnien und Herzegowina noch einmal betont.

Eine für einen Nationalspieler selbstverständliche Einstellung, mag manch einer denken. Dem DFB-Team ging sie jedoch in den vergangenen Jahren zu häufig ab.

Oft vermittelte die Mannschaft mit ihren Leistungen das Gefühl, dass ihnen die Nations-League-, Qualifikations- oder Freundschaftsspiele nicht wichtig seien. Das war in diesem Jahr völlig anders.

Angefangen mit dem Test in Frankreich im März, bei dem die DFB-Elf nach acht Sekunden in Führung ging, bis zu den Nations-League-Spielen zum Ende des Jahres. Unabhängig vom Anlass ist der Mannschaft immer der unbedingte Wille zu überzeugen anzumerken. "Schön zu sehen, wenn jeder zu 100 Prozent Bock hat", schwärmte Tim Kleindienst nach dem 7:0.

Ein enorm wichtiger Wandel, denn die vergangenen Turniere haben gezeigt: Die Form, mit der eine Mannschaft anreist, ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg beim Turnier. Spanien gewann vor der EM 2024 die Nations League. Argentinien blieb vor der WM 2022 36 Spiele in Folge ungeschlagen, Italien vor der EM 2021 sogar noch ein Spiel länger.

"Das Turnier beginnt nicht erst, wenn das Turnier beginnt. Sondern schon in der Vorbereitung", erklärte Kapitän Joshua Kimmich nach dem Bosnien und Herzegowina-Spiel.

2. Nagelsmanns Rollenmodell geht voll auf

Um den Umschwung einzuleiten, dachte sich der Bundestrainer Anfang des Jahres etwas Neues aus: Inspiriert von der deutschen Basketball-Nationalmannschaft, die 2023 Weltmeister geworden war, sollten die DFB-Kicker fortan feste Rolle zugeteilt bekommen.

Startelfspieler, Herausforderer, Ergänzungsspieler. Jeder sollte wissen, woran er ist. Spieler, bei denen abzusehen war, dass sie mit der ihnen zugeteilten Rolle nicht zurechtkommen würden, wurden nicht mehr nominiert.

"Aktuell sind da andere Spieler gesetzt. Dann gilt es, die richtigen Backups zu finden. Da sehe ich Mats nicht als optimale Besetzung", begründet Nagelsmann beispielsweise die Nicht-Nominierung von Mats Hummels.

Kontroverse Entscheidungen, die Nagelsmann jedoch mit seinem Plan im Hinterkopf konsequent umsetzte. Das Ziel: Die Teamchemie sollte verbessert werden. Zu oft schien die DFB-Elf keine richtige Einheit zu sein.

Der Plan ging voll auf. "Ich war jetzt bei noch keinem Turnier dabei. Aber ich hab mir sagen lassen, dass es nicht oft der Fall war, dass nahezu jeder Spieler, der das Camp verlässt, Tränen in den Augen hat", deutete Nagelsmann nach dem EM-Aus die besondere Stimmung im DFB-Team an.

Auch nach dem Turnier stimmt es in der Mannschaft. "Wir genießen es gerade, zusammen zu sein", erklärte Kimmich vor dem Spiel gegen Bosnien und Herzegowina.

3. Nagelsmann wendet das Leistungsprinzip an

Gewisse Lieblinge zu haben, ist einer der häufigsten Vorwürfe, der den vergangenen Bundestrainern gemacht wurde.

Man denke an Lukas Podolski, der noch als Inter-Flop und als Spieler von Galatasaray Istanbul von Jogi Löw zur EM 2016 berufen wurde. Oder an Thilo Kehrer, der als PSG-Dauerreservist lange Zeit einen Stammplatz unter Hansi Flick sicher hatte.

Ähnliche Fälle sucht man bei Nagelsmann vergebens. Prominente Namen strich Nagelsmann aufgrund mangelnder Leistungen aus dem Kader. Dafür erhalten regelmäßig Leistungsträger von kleineren Vereinen die Chance, sich im DFB-Dress zu präsentieren.

Eine Leistungskultur ist entstanden, die dem Team merklich guttut.

4. Spieler entwickeln sich hervorragend

Der Bundestrainer hat einiges richtig gemacht, dabei muss aber auch gesagt sein: Er hat ein hervorragendes Spielermaterial zur Verfügung, das sogar immer besser wird.

Florian Wirtz und Jamal Musiala sind zwei der größten Talente im Weltfußball. Das Duo kann zwar bereits jetzt als Weltklasse bezeichnet werden. Dennoch sind sie noch nicht am Ende ihrer Entwicklung angekommen. Besonders Musiala scheint derzeit auf dem Weg zu sein, ein kompletterer Spieler zu werden. Gegen Bosnien und Herzegowina markierte er das 1:0 per Kopf, es war bereits sein vierter Kopfballtreffer in jüngster Zeit. Und das, obwohl das Kopfballspiel als eine seiner größten Schwächen galt.

Wirtz und Musiala sind nicht als einzige Beispiele zu nennen: Lange Zeit hatte das DFB-Team Probleme, eine langfristige Lösung auf der Sechs zu finden. Entweder waren die Spieler defensiv zu schwach, um die Position adäquat auszufüllen. Oder wurden wegen mangelnder technischen Qualität zum Problem im Aufbauspiel.

Dass Robert Andrich inzwischen nicht nur als reines Defensivmonster auftritt, sondern auch ohne Probleme eine große Rolle im Spiel mit dem Ball übernehmen kann, hilft Nagelsmann enorm, eine funktionierende Mannschaft auf den Platz zu bringen.

5. Rücktritte und Ausfälle können kompensiert werden

Trotz aller bleibenden Qualität stellte sich nach der EM die Frage, ob die DFB-Elf in der Lage sein würde, die Rücktritte von vier Spielern, drei davon Stammspieler während der EM (Kroos, Gündogan, Neuer + Müller), zu verkraften.

Bislang lautet die Antwort eindeutig: Ja. Und nicht nur das: Auch weitere Ausfälle durch Verletzungen tun der Leistung der Mannschaft keinen Abbruch. In den Länderspielpausen im Oktober und November fehlten dem Bundestrainer jeweils wichtige Spieler. Zu spüren war davon wenig.

Trotz der von ihm immer wieder betonten mangelnden Trainingszeit im Nationalteam, scheint Nagelsmann ein Spielsystem implementiert zu haben, das auch unabhängig von den Spielern funktioniert.


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